DER CORONA-KOLLER

von Christine Graef, Ärztin bei der Bundeswehr

 

Dies wird ein längerer Text, aber nach vielen PN an mich mit Fragen hierzu, hoffe ich, daß er vielleicht dem ein oder anderen in der derzeitigen Lage hilft, etwas besser mit der momentanen Situation umgehen zu können.

Viele Menschen kommen derzeit mit den coronabedingten angeordneten Einschränkungen nicht gut zurecht. Gerade Alleinlebende fühlen sich einsam und eingesperrt, da soziales Miteinander oft nur noch auf Telefonate und soziale Medien beschränkt ist. Zudem sind viele Menschen von Sorgen rund um die Gesundheit, sowie der wirtschaftlichen Zukunft getrieben. Wer nicht in „systemrelevanten“ Branchen oder im Homeoffice arbeitet, weiß ggf. nicht, wohin mit seiner Langeweile. Die, die mit mehreren Personen und Kindern in kleinen Wohnungen sitzen, fühlen sich hingegen vielleicht gereizt, gestreßt und überfordert. Menschen, die z.B. im Krankenhaus oder im Rettungsdienst arbeiten, können vielleicht die Überstunden nicht mehr zählen. Alle einigt ein gewisses Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit angesichts dieser Ausnahmesituation, die es so in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Den einen mehr, den anderen weniger.
Aus eigener Erfahrung mit „Sonder- und Extremsituationen“ in meinem Leben kann ich sagen, daß so etwas nicht immer schlimme Spuren hinterlassen muß, sondern daß daraus auch positive Entwicklung möglich sein kann.
Mit diesem Text möchte ich versuchen, ein wenig Mut zu erzeugen, um aus der Not eine Tugend zu machen und mit Tipps und Hintergrundinformationen eine kleine Anleitung für die Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.

Bezüglich der Empfehlungen zum Schutz vor dem Virus und wichtigen Rufnummern für gesundheitliche und wirtschaftliche Fragen rund um Corona, verweise ich auf meinen diesbezüglichen Beitrag hierzu weiter unten in der Chronik. ⬇️

❇️ Tagesstruktur:
Wer derzeit unter Langeweile leidet, sollte nichtsdestotrotz auf eine Tagesstruktur achten. Ein Wegbrechen dieser Tagesstruktur kann letztendlich zu Verschiebungen im Tag-Nachtrhythmus führen und vorhandene negative Emotionen verstärken.

❇️ Bewegung:
Bewegung an der frischen Luft ist erlaubt, gesund und unbedingt zu empfehlen!
(Natürlich nur unter den offiziell geltenden Regeln bzgl. „wer mit wem“ und in nötigem Abstand zu anderen.)
Sport und frische Luft fordern und fördern das Immunsystem. Gerade Menschen, die unter bestimmten Lungenproblematiken leiden, wie z.B. Belastungsasthma, profitieren sehr und stärken ihre Lunge. Aber auch für alle anderen sollte bei dementsprechend vorhandenen Zeitfenstern, die sportliche Betätigung, oder alternativ bei entsprechenden körperlichen Einschränkungen das Spazierengehen im Freien, regelmäßig dazugehören.
Zudem hilft Sport, die seelische Gesundheit zu erhalten. Ausdauersport im oberen aeroben bis unteren anaeroben Bereich, mindestens zweimal pro Woche über 30-45min, kann bei einer mittleren Effektstärke von 0,7 laut Studien so gut wie ein mittelstarkes Antidepressivum wirken.
Vielleicht hat der ein oder andere schon einmal den Begriff „Waldbaden“ gehört? Wer sich gerne im Wald aufhält, stärkt sich doppelt. Jetzt, wo das Grün zurückkehrt, füllt sich die Luft im Wald mit Terpenen. Dies sind pflanzliche Stoffe, die z.B. bei Aufnahme durch Einatmung beruhigend und ausgleichend auf den Organismus wirken. In Japan gibt es hierzu schon seit 2012 an Universitäten den eigenen Forschungszweig „Waldmedizin“. Auch Ruhe und Geräuschkulisse des Waldes helfen hierbei. Also ab in den Wald und auf dem Weg mal hier und da kleine Pausen einlegen und genießen! Auch wer sich zuhause gegenseitig auf den Keks geht und nicht weiß, wo er Ruhe finden soll, kann die Natur für sich entdecken.

❇️ Achtsamkeitstraining und Meditation:
Nein, das hat wirklich nichts mit Esoterik zu tun, sondern sie stellen mittlerweile einen sehr wichtigen Baustein im Bereich der Streßprophylaxe jedes Gesunden, sowie der Genesung seelisch erkrankter Menschen dar und werden in der Wissenschaft diesbezüglich stark beforscht.
Gerade für die, die nicht wissen, wohin mit ihrer Langeweile (Gefahr des „boreout“), aber auch für die, die gerade beruflich stark „rotieren“ (Gefahr des „burnout“), stellen Achtsamkeit und Meditation äußerst wichtige Werkzeuge zur Gesunderhaltung dar. Hierzu gibt es tolle apps und Seiten im Netz, die einem helfen, die Techniken zu erlernen.
Die von vielen derzeit erlebte „Entschleunigung“ kann helfen, mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Nutzt die Zeit, um Euch und Eure Liebsten besser kennen zu lernen. Vielleicht entdeckt ihr neue Talente oder Eigenschaften an Euch, die ihr nach der Krise nutzen könnt. Oder ihr habt endlich mal Zeit, herauszufinden, was Euch wirklich wichtig ist im Leben.

❇️ Ernährung und Nahrungsergänzung:
Um das Immunsystem zu stärken, sollte auf frische, ausgewogene Kost geachtet werden. Hierzu kann selbstverständlich zu regionalen und saisonalen Produkten gegriffen werden.
Um den Darm gesund zu halten, sollte man viele Ballaststoffe zu sich nehmen und möglichst auf Industriezucker verzichten, da dieser „Kost“ für bestimmte unerwünschte Bewohner unseres Darms darstellt und somit kontraproduktiv wirkt. Man darf hierbei nicht vergessen, daß das Darm-Mikrobiom, also die Darmflora, maßgeblich an unserem Immunsystem beteiligt ist und es auch in der aktuellen Forschung Hinweise gibt, daß sich die Darmgesundheit positiv auf das seelische Befinden auswirken kann. Wem es langweilig ist, der kann jetzt ausgiebig (alleine oder mit der Familie) frisch Kochen und neues ausprobieren.
Bezüglich Nahrungsergänzung kann man sagen, daß die erhöhte Zufuhr von Vitamin C neueren Forschungsergebnissen zufolge, wahrscheinlich keine besondere Bedeutung für die Abwehrkräfte zukommt. Die Zufuhr von Zink hingegen kann jedoch ebenso wie die Zufuhr bestimmter Phytotherapeutika helfen, die Abwehr zu steigern. Auch ein Vitamin-D-Spiegel im guten Normalbereich kann dem Immunsystem, wie auch dem seelischen Befinden helfen. Über Nahrungsmittel ist dieser jedoch kaum zu beeinflussen und die derzeitige Sonneneinstrahlung, der wir uns ja in der Regel bei den derzeitigen Temperaturen nicht ausreichend mit nackter Haut aussetzen, reicht somit wahrscheinlich auch nicht aus, um in kurzer Zeit den Spiegel ausreichend anzuheben. Im Internet gibt es Vitamin-D-Rechner, die einem helfen, die richtige Dosis zu finden.

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